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 Dem Himmel so nah

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Tin
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BeitragThema: Dem Himmel so nah   Dem Himmel so nah EmptySo Jan 25, 2009 1:31 pm

Dem Himmel so nah


Es war Frühlingsanfang. Nach einem langen kalten Winter schien die Sonne endlich deutlich an Stärke gewonnen zu haben. Ihre Strahlen erwärmten wieder das Land und erweckten die Natur zu neuem Leben. Die kahlen, grauen Felder und Wiesen gewannen langsam wieder an Farbe. Erste Knospen reckten sich gen Himmel und auch die nackten Bäume putzten sich allmählich in einem grünen Gewand heraus.
Auf einem dieser Bäume, um genau zu sein auf einer uralten, großen Eiche, lebte Purzel. Purzel war erst vor Kurzem auf die Welt gekommen und kaum größer als ein Daumen. Neugierig robbte sich der kleine Kerl auf den Ästen entlang. Sein Magen knurrte sehr. Er hatte riesigen Hunger.
Das grüne Blattwerk um ihn herum schien schmackhaft zu sein. Er probierte davon. Hmmm ... war das lecker. Er aß das erste große Blatt auf und machte sich auf zum nächsten. Sein Hunger war einfach unstillbar.
Während er genussvoll am zweiten Blatt knabberte, beobachtete er seine Umgebung. Er blickte über die Wiesen und Felder und auch in den blauen Himmel. Es war ein herrlicher Anblick. Schließlich sah er eine Amsel ein paar Äste schräg gegenüber von ihm. Sie machte sich startbereit für den Abflug. Mit kräftigen Flügelschlägen hob sie vom Ast ab und machte einen Rundflug über der Eiche. Purzel staunte nicht schlecht bei dieser eindrucksvollen Vorführung. Er wollte das auch können. Also nahm er Anlauf. Er sprang vom Ast und versuchte ganz schnell mit seinen kleinen, stupsigen Füßchen zu flattern. Doch das Fliegen gelang ihm nicht. Stattdessen knallte er ziemlich unsanft auf den Boden. Ziemlich benommen verharrte er dort einige Minuten. Vieles ging ihm durch den Kopf. Warum konnte er nicht fliegen? Es sah doch so einfach aus. Ein paar Ameisen kamen schließlich vorbei und musterten ihn. „He, was ist denn mit dir passiert? Du siehst ziemlich mitgenommen aus.“ „Ich habe versucht zu fliegen“, entgegnete Purzel. Als die Ameisen das hörten, kugelten sie sich vor Lachen. „Du und fliegen?... träume weiter Kleiner! .. Eine fette Raupe wie du wird niemals fliegen. Zum Fliegen braucht man Flügel, etwas was du nie besitzen wirst. Den einzigen Rundflug, den du machen wirst, ist im Magen eines Spechtes.“
„Ach lasst mich doch in Ruhe! Ihr werdet schon sehen, dass ich eines Tages fliegen kann“. Mit diesen Worten drehte sich Purzel um und machte sich wieder auf zu seinem alten Platz zurückzukehren. Es war ein langer und beschwerlicher Weg, für den er einen ganzen Tag brauchte. Er dachte dabei viel über die Worte der Ameisen nach. Hatten sie vielleicht doch Recht? Wird er niemals fliegen können? Purzel wollte daran noch nicht glauben. „Erstmal muss ich viel kräftiger werden“, dachte er zu sich. Auf seinem alten Platz angekommen machte er sich also gleich daran, wieder ein paar saftige Blätter zu verspeisen.
Inzwischen war es Abend geworden. Eine leichte Brise kam auf. Am Horizont verschwand langsam die immer rötlicher werdende Sonne. In den Ästen hörte man ein sanftes Rauschen der Blätter. Plötzlich setzte der liebliche Gesang einer Nachtigall ein. Purzel lauschte ihren Liedern. Sie sang von der weiten großen Welt, von der Freiheit, von dem Gleiten durch die Lüfte und dem Spielen mit dem Wind. Bei ihren Worten begannen die kleinen, dunklen Augen von Purzel zu funkeln. „Ich werde auch irgendwann fliegen. Ich fühle es...“. Er machte es sich schließlich zwischen der Baumborke bequem und schlief langsam ein.
In den nächsten Tagen verbrachte er viel Zeit mit Fressen. Er wollte ja groß und stark werden, um endlich fliegen zu können. Bei der Eiche hatte es sich unterdessen herumgesprochen, dass er ernsthaft glaubt, irgendwann fliegen zu können. Das Gelächter wurde täglich größer. Doch Purzel ließ sich davon nicht beirren und mampfte weiter ein paar große Blätter, während er sehnsüchtig den Himmel musterte. Täglich lauschte er auch in der Dämmerung den Liedern der Nachtigall und träumte davon, alles bald selbst erleben zu können.
Die Tage und Wochen vergingen und aus Purzel wurde ein richtiger Wonneproppen. Er fühlte sich stark. Die Zeit war also reif, es erneut zu versuchen. „Kommt alle her!“, summte eine Mücke. „Purzel möchte uns heute erneut eine Bruchlandung vorführen“. Das wollten sich natürlich die vielen Insekten und auch manche Vögel nicht entgehen lassen. Purzel war ziemlich aufgeregt vor so großem Publikum. Er wusste, dass ihm das Fliegen niemand zutraute, doch er glaubte an sich. Die letzten Tage hatte er sehr an seiner Flügelschlagtechnik gefeilt. Erneut nahm er also Anlauf ... er sprang und fuchtelte wie wild mit seinen wurstigen Füßchen. Seine ganze Energie steckte er hinein, denn mit diesem Sprung wollte er sich endlich seinen Lebenswunsch erfüllen. Leider half all sein Bemühen nichts. Er knallte wieder unsanft auf den Boden und blieb liegen. Ein großes Gelächter kam auf, denn es war genau das passiert, was jeder erwartet hatte: Purzel war abgestürzt.
Plötzlich setzte Regen ein und die Vögel und Insekten suchten sich ein trockenes Plätzchen. Nur Purzel lag noch da auf dem sandigen Boden unter der Eiche. Sein Traum war im wahrsten Sinne des Wortes abgestürzt. Seine Hoffnung, irgendwann zu fliegen, wurde nun vom Regen weggeschwemmt.
Purzel rappelte sich schließlich langsam wieder auf und blickte in eine Pfütze. Er sah in ein kleines, grünes, rundliches Gesicht und fing an bitterlich zu weinen. „Mein Schicksal ist es also, für immer am Boden zu bleiben und diesen Ort hier niemals zu verlassen...“. Völlig deprimiert machte er sich langsam wieder auf den Weg zurück ins Geäst.
Wie sollte es denn nun weitergehen? Er konnte es nicht mehr ertragen, täglich in den für ihn nun unerreichbaren Himmel schauen zu müssen und am Abend die Lieder der Nachtigall zu hören. Er wollte jetzt einfach nur noch für sich sein - allein sein für immer. Also begann er sich ein Kokon zu bauen, gerade groß genug, dass es Platz für ihn bietet und wo er den Rest sein Lebens alleine verbringen kann. Es dauerte nicht lange bis der Kokon fertig war. Noch ein letztes Mal blickte Purzel in den blauen Himmel. Dann versiegelte er den Kokon vollständig von innen und schloss sein Augen... Er fing an einen langen Traum zu träumen – schwerelos durch die Luft zu gleiten, den würzigen Duft der Felder zu schmecken und die Welt aus völlig unbekannten Perspektiven zu betrachten.
Es vergingen wieder einige Wochen und im Inneren des Kokons rührte sich nichts. Die meisten der Eichenbewohner glaubten bereits, dass Purzel gestorben sei. Ein früher Tod bei Insekten war ja nichts Ungewöhnliches. Doch eines Tages bewegte sich etwas im Kokon. Zufällig war eine der Mücken in der Nähe und beobachtete das Schauspiel. Im Innern schien Purzel sich aus dem Kokon befreien zu wollen. Langsam zerbrach schließlich der Kokon und brachte zur Überraschung der Mücke einen prächtigen Schmetterling hervor. „Purzel bist du das?“, staunte die Mücke. Purzel musste sich erst einmal an das helle Licht wieder gewöhnen ehe er antwortete. „Ja ich bin es, aber warum bist du so überrascht?“ „Schau dich doch mal an! Du hast dich sehr verändert.“, entgegnete die Mücke. Tatsächlich! Der grüne, rundliche Körper war einer gertenschlanken Figur gewichen. Aber da war noch mehr. Purzel drehte seinen Kopf und betrachtete seinen Rücken. Zwei wunderschöne farbenprächtige Flügel lächelten ihn geradezu an. Konnte das wahr sein oder war es nur ein weiterer unechter Traum? Purzel brauchte eine Bestätigung und forderte die Mücke auf, ihn zu stechen. Der Mücke musste man das nicht zweimal sagen, da sie von Natur aus gerne herumstichelte. Ein kurzer Schmerz durchzuckte Purzel's Körper. Nein, das war kein Traum. Es war die Wirklichkeit! Purzel war ganz aufgeregt. Sollte sein lang gehegter Wunsch nun endlich wahr werden? Noch einmal wollte er nun einen Versuch wagen. Erneut nahm er Anlauf und sprang...
Doch diesmal sollte er nicht wie ein nasser Sack auf den Boden fallen, sondern er segelte elegant über die Wiese. Der Mücke fielen fast die Augen raus, bei dem was sie gerade miterlebte. „Kommt alle schnell her! Unser Purzel fliegt! Ja, er fliegt!“. Schnell strömten viele Insekten herbei und beobachteten mit offenen Mündern wie Purzel Runde um Runde um die Eiche flog und mit dem Wind spielte.
An jenem Tag gab es etwas, das fast noch heller als die Sonne leuchtete. Es war das Gesicht eines jungen Schmetterlings, der endlich seinen Lebenswunsch erreicht hatte. Er fühlte sich frei und war glücklich, denn endlich hatte er das erreicht, wofür er sein ganzes Leben lang kämpfte. Sicher war es mehr der Laune der Natur als seinem eigenen Vermögen zu verdanken, aber das Gefühl, dass er bereits kurz nach seiner Geburt hatte, hatte ihn nicht betrogen. Er konnte nun durch die Lüfte fliegen und den Himmel erobern. Und während er das tat, sang er voller Energie und Glückseligkeit:



„I was a fat caterpillar
who often looked to the sky
I saw the clouds and had the wish
to fly someday very high.

Nobody believed in my dream,
everybody laughed at me:
A fat caterpillar with no wings
will never leave the tree.

A wonder happened over night
I transformed to a butterfly.
Now I can taste the fresh cold air
and conquer the big blue sky.

I was sad with my old life
and my hope faded away.
But my feelings betrayed me not
and lead me on my way.

A wonder happened over night
I transformed to a butterfly.
Now I can taste the fresh cold air
and conquer the big blue sky.“


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